Texte von Reuter
Zum Quadrat (1990)
Zum Quadrat
Ich male klare und exakte Bilder von Raum gewordenen Empfindungen und flüchtigen Gefühlen. Je unwirklicher, je schwerer zu fassen das Materielose d. h. der wirkliche Inhalt des Bildes ist, je entschiedener und eindeutiger muß die Form und seine Herstellungsweise sein.
Je diffuser das Ziel,
umso entschiedener der Zugriff.
Hierdurch entstehen Bilder, die auf den ersten Blick durchorganisiert, klar und eindeutig wirken, aber gerade dadurch ein unwirkliches, mit Worten nicht faßbares Gefühlsleben entwickeln.
Wer an der Perfektion der Oberfläche hängen bleibt,
oder diese gar als Sinn des Bildes ansieht,
dem fehlt das dritte – innere – Auge,
und er sieht nicht hinter die Dinge.
Dementsprechend finde ich es folgerichtig, für die Darstellung von Gefühlen ein klar definiertes Mittel zu verwenden, das selbst scheinbar frei von Gefühlsbelastungen ist, das Quadrat.
Viele Formen können Rechtecke sein, soweit sie die Bedingungen (vier gerade Seiten, vier rechte Winkel) erfüllen. Ein Quadrat kann nur ein Quadrat sein. Es ist somit eindeutig, hat aber trotzdem eine Vielzahl von Erscheinungsformen (groß, klein, gefüllt, leer, bildparallel, über Eck usw.). Mich interessiert vor allem, daß ein Quadrat in einem besonderen Kontext ein solches bleiben kann, ohne Quadratform zu haben. Es kann in der perspektivischen Verzerrung die Form eines Parallelogrammes oder noch beliebigeren Körpers mit vier geraden Seiten annehmen, ohne für den Betrachter sein „Quadratsein“ aufzugeben. Somit ist es für meine Bilder das ideale Strukturmittel, um das Rätsel erst hinter der Oberfläche beginnen zu lassen, die dank des Quadrates keine Frage offen läßt.
Das Quadrat
ist die beste Verpackung
für die Fantasie.
Schwäbisch Gmünd im Januar 1990